Ein Beitrag über Gefängnisstrafen, Meinungsfreiheit und …

Ich habe lange überlegt, was ich mit dem sehr interessanten Artikel

Nachschlag für Häftling Nr. 746/09 von TheEuropean

machen soll.  Der Autor des Artikels sagt es selbst:

„Ich weiß ja, die Sache ist maximal unangenehm, aber man sollte trotzdem mal darüber sprechen.“

Aber auch unangenehme Dinge müssen angesprochen werden, selbst wenn sie einen in Konflikte mit den eigenen Werten wie „Meinungsfreiheit“ oder „Menschenrechte“ bringen. Sehr gerne lässt man sich von schlichten Meinungen wie „Den Sack einfach wegsperren! Dann ist Ruhe!“ gefangen nehmen. Da der Mensch aber mit Vernunft gesegnet ist, die sich mal mehr und mal weniger deutlich zeigt, versuche ich es gerade einmal mit der Vernunft.

Worum geht es eigentlich?

Es geht um Horst Mahler. Horst Mahler hat eine sehr kontroverse „Karierre“ hinter sich, die ihn völlig zurecht in den Knast befördert hat. Die Frage ist allerdings, ob die Dauer seiner Gefängnisstrafe angemessen ist oder nicht. Diese Frage kann ich mir auf Anhieb nicht beantworten. Zum einen ist „Volksverhetzung“ eine üble Sache, zum anderen aber ist doch die Gefahr groß, dass man durch übermäßige Gefängnisstrafen ein Märtyrertum befördert.

Und jetzt frage ich Sie vorab: Wie kann es so weit gekommen sein, dass wir es in Deutschland wieder für nötig erachten, einen alten Mann länger als ein Jahrzehnt wegzusperren, nur dafür, dass er etwas äußert, das wir für menschenverachtenden Schwachsinn halten, während das Internet mit exakt derselben Scheiße randvollgestopft ist, ohne dass wir wirklich etwas dagegen tun könnten?

Eben genau dort liegt das Problem: Wenn wir alte Männer wegsperren, die sich menschenverachtend äußern – müssten wir dann nicht auch „das Internet wegsperren“? Im www wird ja viel behauptet – oftmals unbelegt. Ich durfte es kürzlich am eigenen Leib erfahren. Ja, ich weiß, jetzt kommt wieder der blöde Vergleich vom Gewalttäter zum Täter mit dem Wort. Ist es aber nicht so, dass Menschen, die eine reale potentielle Gefahr für die körperliche Gesundheit der Mitmenschen darstellen mit weit weniger bedacht werden, als ein ehemaliger Rechtsanwalt, der übles, wirres Zeug von sich gibt?

  • Wie geht man mit einem solchen Menschen um?
  • Wie schafft es die Gesellschaft mit solchen Menschen ordentlich umzugehen?
  • Wie weit geht die Meinungsfreiheit?
  • Wo hört die Meinungsfreiheit auf?
  • „Wie viel Angst zeigen wir eigentlich damit vor solchen Geisteshaltungen?“
  • Sollte eine Demokratie nicht mit solchen Äußerungen umgehen können?

Versteht mich nicht falsch: Ich heiße es nicht gut, das der gute Mann von sich gibt. Wenn es denn stimmt, was man ihm vorwirft. Ich habe vor dem Artikel noch nie von dem Mann gehört. (Ja, ich war lange in anderen Welten… ;)) Ich denke, es wird einigen so ergehen wie mir. Was rechtfertigt daher nun, diesen alten verbitterten Mann so lange einzusperren?

Rechtlich ist es durchaus abgesichert:

„Was das hohe Strafmaß für Mahler angeht, so bleibt bis heute fraglich, ob die Gesetzgebung tatsächlich mit einer solchen Hartnäckigkeit bzw. Unbelehrbarkeit gerechnet hatte, als sie den Paragrafen 130 StGB (Volksverhetzung) 1994 (Absatz 3: Einschränkung des Artikels 5 Absatz 1 Grundgesetz zur „Freien Meinungsäußerung“) und 2011 erweiterte bzw. verschärfte. Mahlers Strafmaß reicht an jenes heran, welches man sonst bei Totschlag und anderen Schwerverbrechen erwarten darf.

Die Frage, die ich mir stelle, ist die: Wie gefährlich kann diese Volksverhetzung sein, dass sie 12 Jahre Gefängnis begründet? Sollte eine Demokratie zugunsten der Menschenrechte nicht in der Lage sein, mit dieser Bedrohung zurecht zu kommen? Ich weiß, ich stelle viele Fragen. Das offenbart aber nur meine Unsicherheit in der Meinungsfindung.

Was zudem auffällig ist: Nazis spielen gerne den Märtyrer. Dies tut Horst Mahler anscheinend auch, obwohl ihm die Wahrnehmung als Märtyrer bislang offensichtlich noch nicht wirklich gelungen ist.

Und bizarrerweise wurde sie auch deshalb länger, weil Mahler dort, wo es keinen Kläger gab, Selbstanzeige erstattete und dazu vor Gericht äußerte: „Ich sitze hier, weil ich hier sitzen will.“

Er sitzt also, weil er es will. Wäre die größere Strafe für ihn nicht, ihn rauszuschmeißen und unter Beobachtung zu stellen? Der Staatsschutz war bisher immer in der lustigen Lage z. B. Politiker der Linken zu beobachten. Wo ist das Problem einen Neonazi zu beobachten? Kosten verursacht er auch im Knast. Kosten können daher kein Argument sein.

Es geht beim Strafvollzug darum, dem Verurteilten Haftzeit zu geben, seine Taten zu reflektieren, also um Sühne, um Resozialisierung.

Sühne und Resozialisierung sehe ich bei diesem Mann in keinster Weise. Muss man ihn daher Lebenslang im eigentlichen Sinne des Wortes wegsperren? Vielleicht wäre eine Überprüfung seines Geisteszustandes eine Option – wandelte er doch auf links- und rechtsradikalen Pfaden.

Der Artikel wirft viele Fragen nach einem korrekten Umgang mit „Volksverhetzern“ auf. Ich kann mir die Bemerkung aber nicht verkneifen, dass unser ganzes Umfeld mittlerweile volksverhetzerisch geprägt ist. Wie kann es z. B. sein, dass sich der Begriff des Sozialschmarotzers politisch gewollt so durchsetzt? Man entschuldige diesen kleinen Ausflug.

Die Aussage

„Horst Mahler ist jetzt ohne Zweifel ein politischer Gefangener, wo er in Freiheit nur ein verwirrter böser Mann sein konnte.“

ist zu einfach. Wir alle wissen, wie gut sich Symbolfiguren für politische Stimmungsmache durch rechtsradikale Parteien eignen. Ihn einfach als „verwirrten, bösen Mann“ abzutun, ist zu leicht.

Ich gebe es zu: Ich bin gerade sehr herausgefordert, was eine Meinungsbildung meinerseits anbelangt. Zum einen schreit in mir der Menschenrechtler, dass man Menschen so nicht einsperren darf und dass Meinungsfreiheit herrschen müsste und zum anderen macht sich der Demokrat bemerkbar, der eine Gefährdung der Demokratie und des „gesunden Volksempfindens“ sieht.

„Ja, zwei Seelen wohnen ach so in meiner Brust.“ – ganz frei nach irgendwem. 😉

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2 Gedanken zu „Ein Beitrag über Gefängnisstrafen, Meinungsfreiheit und …

  1. Das Problem mit der Strafbarkeit von Meinungen, auch dummen Meinungen, ist einfach: Was macht die Leute die solche Leute verfolgt wissen wollen so sicher, daß nicht morgen schon ihre Meinung als strafbar verfolgt wird.

    Wenn man sich die nachträgliche politisch korrekte Umschreibung von Büchern, auch Kinderbüchern, ansieht oder die Forderung an zB einer Berliner Uni, Texte von zB Kant nicht zu lesen, dann kann dies auch mal rückwirkend erfolgen. Also durchaus Strafe ohne bestehenden (zur Zeit der „Tat“) Straftatbestand ausgesprochen werden.

    Versuche alles mögliche als Rassismus, Sexismus und wer weiß was zu brandmarken gibt es doch schon reichlich.

    Wer weiß schon welche Meinung morgen als Straftat gilt?

    Das ist das Problem, dessen sich viele nicht bewust sind.

    1. Ja, da sehe ich auch eine Gefahr darin. Es gibt die Gefahr, dass Meinungen dafür herhalten, Leute einzusperren. Kritik am Feminismus soll ja auch z. T. strafbar werden.

      Ich merke es ja schon jetzt, dass es vollkommen normal ist, zu sagen, dass man sich für Frauenrechte einsetzt, es aber schon absolut verwerflich ist, zu sagen, man setze sich für Männerrechte ein. Die Behandlung in der Gesellschaft ist der Schritt zur Strafbarkeit, wenn man für Männerrechte eintritt.

      Genau: Vielleicht ist morgen mein Blog schon strafbar. Vielleicht werden meine Meinungen dann mit denen dieses Mannes gleichgesetzt.

      Ich gebe Dir recht, dass dort eine große Gefahr liegt.

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